Liebe Kolleginnen und Kollegen,

ich bekam vor einigen Tagen eine Mail eines geschätzten Kollegen, Lehrers und Mentors, die mich sehr nachdenklich gestimmt hat.

Fast zeitgleich habe ich selbst ein Memo an meinen eigenen Landesverband geschrieben, aus dem Teile hier einfließen werden.

Das wird hier weder zu wissenschaftlich, noch zu philosophisch. Es wird allerdings etwas länger, obwohl ich weiss, dass Texte, die mehr als 90 Sekunden Zeit in Anspruch nehmen, heute kaum noch gelesen werden. Ich versuche Eure Zeit nicht zu verschwenden und es gibt keine Werbeunterbrechungen! Versprochen!

Spaß haben!

Wir verbringen einen immensen Teil unserer Freizeit miteinander. Dabei sollte die Atmosphäre miteinander so sein, dass wir uns gerne begegnen. Leute, die ich abseits des Feldes mag, sind mir auch auf dem Feld sympathisch. Und mit Leuten, die mir sympathisch sind, arbeite ich einfach lieber und besser zusammen. Das ist eine kulturelle Sache. Die entsteht aber nicht von alleine. Das ist Arbeit. Arbeit, die von allen geleistet werden kann und soll.

Wenn die Crew es schafft nach dem Spiel noch etwas gemeinsam essen zu gehen und sich dort auszutauschen, werden die wichtigen Dinge des Lebens offenbar. Und dann schaffen wir es auch leichter uns gegenseitig kleine Verfehlungen zuzugestehen.

Hier ein schöner Artikel zum Thema Teamkultur/Crewkultur:
All Blacks - No Dickheads Allowed

Die kleinen Dinge

Es sind aber auch die vermeintlich kleinen Dinge, die die Zusammenarbeit so viel einfacher machen können und die dafür sorgen, dass der Crew der Spaß nicht vermiest wird.

  • PPPPP -
    Proper Preparation Prevents Poor Performance!
  • Sobald ich weiss, welche Position ich im folgenden Spiel haben werde, kann ich mich vor dem Spiel mit dem Mechanicsbuch auf diese Position vorbereiten.
  • Wer sich verspätet, sagt rechtzeitig dem Rest der Crew Bescheid!
    Nicht der Referee ruft seine Crew an und fragt alle, wo sie denn bleiben! Nein! Wer zu spät kommt, sagt so früh wie möglich selbst Bescheid!
  • Wir alle machen Fehler. Wichtig ist es, aus Fehlern zu lernen und sie sich zu merken. Dies kann man zum Beispiel machen, indem man sie sich nach dem Spiel aufschreibt und vor dem nächsten Spiel noch einmal anschaut.
  • Wenn andere kritisiert werden, Ohren aufsperren!
    Wer alle Fehler, die möglich sind, selbst machen will, sollte sich auf eine kurze Karriere gefasst machen ...

Schiedsrichterei ist Lernen

Und damit ist kontinuierliches Lernen gemeint!

Durch den Lizenzerhalt haben wir keinen Pfeifführerschein erworben, durch den wir von dort an befähigt sind, bis in alle Ewigkeit Spiele zu leiten!

Regeln ändern sich. Jedes Jahr!

Zusätzlich gibt es editoriale Änderungen, die meist den Wortlaut nur minimal abändern, jedoch oft großen Einfluss auf die Regel und deren Auslegung haben.

Es ist unsere Aufgabe diese Veränderungen wahrzunehmen und auf dem Feld umzusetzen! Regelwissen lässt sich in kleinen Gruppen oft besser vermitteln, als alleine. Niemand muss sich durch die Regeltexte alleine kämpfen. Helft einander!

Regelstudium ist auch während der Saison elementar wichtig. Es gibt immer mal wieder Situationen, in denen man merkt, dass man die Regel, die gerade relevant ist, doch nicht so gut kennt, wie gedacht. Dann hilft nur nachlesen. Und bei weiterer Unklarheit ... fragen!

Wer rastet, der rostet!

Selten so wahr, wie in der Schiedsrichterei!

Kultur

In meiner Wahrnehmung gibt es in vielen Landesverbänden eine Diskrepanz zwischen den Alteingesessenen und den – nennen wir sie mal – "jungen Wilden". Teile davon sind der technischen Entwicklung der letzten Jahre geschuldet, Teile sind eine gesellschaftliche Entwicklung der selben Zeit.

Kaum eine andere Gruppe in unserer Gesellschaft ist von der Altersstruktur her so weit gefächert, wenn sie gemeinsam etwas unternimmt, wie unsere.

Wer in den 80er oder 90er Jahren angefangen hat zu pfeifen, ist oft ohne direktes Feedback und komplett ohne Videoreview durchs Leben gegangen. Vielleicht hilft es den Jüngeren, sich einmal vor Augen zu führen, dass Videos bis vor einigen Jahren noch auf Kassetten aufgenommen wurden, die dann erst überspielt werden mussten. Apropos Kassetten. Die waren unsere Musikquelle früher, auf langen Auswärtsfahrten. CDs mögen heutzutage antiquiert wirken ... was ist dann mit Bandsalat?!?

Feedback an die jüngeren Kolleginnen und Kollegen kommt heute fast immer mit Video. Daher ist deren Lernkurve auch deutlich steiler, als unsere es früher waren. Ansehen und umsetzen. Das ist das Motto der Zeit. Und da kann so manch alter Hase noch etwas lernen.

Das bedeutet aber auch, dass jemand heute mitunter im zweiten oder dritten Jahr mit erfahreneren Kolleginnen und Kollegen mithalten kann, die schon zehn Jahre oder mehr auf dem Buckel haben.

Andersherum ist niemand im Recht andere "wegzubeissen". Wer schnell laut wird oder andere bloßstellen will, sucht sich vielleicht erstmal einen Ausgleich, bevor die Crewstimmung vergiftet wird.
Gewohnheitsrecht ist bei uns ebenso fehl am Platz. Regeln und Mechanics ändern sich ständig. Wer die Mechanics gerade erst neu gelernt hat, weiß mitunter besser wie es aktuell sein soll, als jemand, der seine Einstiegslizenz vor 20 Jahren gemacht hat und sich nur selten mit den Änderungen beschäftigt.

Was soll das?

Worauf ich eigentlich hinaus will?
Sprecht miteinander und hört einander zu!
Versucht mal die Seite des anderen zu verstehen und nicht gleich mit "Ja, aber ..." zu kontern.

Bedenkt immer, dass derjenige, der kritisiert, damit eine Absicht verfolgt. Und die ist in den allermeisten Fällen gut gemeint und soll helfen!

Und wenn ihr kritisiert, verwendet Ich-Botschaften. Spiegelt was ihr seht und gebt Hilfestellungen!

Frei nach Theodore Roosevelt:
Ein Problem aufzuzeigen, ohne die dazu gehörige Lösung zu präsentieren, nennt man jammern.

Wenn in Amerika nicht mehr kritisiert wird, vor allem vom Supervisor, dann gilt man dort als uncoachable und wurde quasi aufgegeben. Also freuen wir uns doch lieber, wenn jemand einen Verbesserungsvorschlag hat.